Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Die Stimme des Herrn
Der Sohn eines reichen Gutsherrn zu Grüningen entschloss sich, nicht lange, nachdem er von Hochschulen nach Hause zurückgekehrt war, Einsiedler zu werden, um dereinst des Himmelreiches ganz sicher würdig zu sein.
Er schied also sehr gegen den Willen von Vater, Schwester und Freunden, ließ Haus, Hof und alle Güter hinter sich und erbaute sich, einige Meilen abseits, in einem alten Eichenwald aus Stämmen und Rinden eine dürftige Hütte.
Dort lebte er und diente, das Wenige, dessen er an Speise und Trank bedurfte, in den umliegenden Weihern zusammen bettelnd, zehn lange Jahre hindurch mit Beten, Fasten und schwerer Arbeit an den öffentlichen Straßen, --- indem er nämlich die Karrengeleise und Löcher mit Steinen und Hölzern füllte ---, einzig Gott und seiner unsterblichen Seele.
Eines Nachts aber vernahm er, auf seiner Streu von Laub und Reisern liegend, im Traum eine Stimme. "Der Herr", sprach sie, "hat mich zu dir geschickt, damit ich dir diese Worte verkündige : Trunkenheit, Unzucht, Mord, --- unter diesen drei Sünden sollst du dir eine wählen und sie begehen; einmal dich volltrinken, einmal in Unkeuschheit fallen oder einmal einen Totschlag tun, --- so will es der Herr von dir haben."
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Damit verscholl die Stimme, der Einsiedler wachte auf und war in seiner tiefsten Seele erschrocken. Ich habe, sagte er zu sich, meiner Lebtage noch keine solcher Sünden im Sinne gehabt. geschweige denn begangen und nun soll ich mir eine auswählen; es wird schwer für mich sein.
Indessen, da ihm sein Gewissen bei Tag und bei Nacht keine Ruhe ließ und ihn früh und spät ermahnte, des Herren Befehl zu vollbringen, so entschied er sich endlich nach langem Hadern und Ringen für die Trunkenheit als die geringste unter jenen Sünden, und ahnte nicht, daß er damit alle drei auf sich geladen hatte.
Er schrieb nämlich nicht lange darnach seiner Schwester, die inzwischen geheiratet hatte und auf einem großen Hof glücklich und angesehen lebte, einen Brief des Inhalts, sie möchte ihn besuchen und eine Flasche Wein mitbringen; er wolle noch einmal über dies und jenes mit ihr gesprochen haben und sich danach der Welt für immer entziehen und sich schweigend ganz und gar dem Herrn ergeben.
Die Schwester, die ihn als heiligen Mann aus Herzensgrunde verehrte, tat, wie er sie geheißen, packte Wein und süßes Brot und allerlei erlesene Speisen in einen Korb und begab sich am nächsten Feiertag fröhlich zu ihm hinaus in den Wald.
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Er empfing sie ehrerbietig und brüderlich zugleich, sie saßen in seiner Hütte nieder und fanden Fragens und Redens kein Ende. Wie es dem alten Vater gehe, wollte er wissen, und was sie für einen Mann und wieviel Kinder sie habe, und sie erzählte mit der heitersten Umständlichkeit alles, was er gerne zu hören schien, wobei sie nicht unterließ, ihm immer wieder den Krug mit dem Wein an den Mund zu heben, damit er nur ja einmal recht von Herzen munter werde.
Er tat ihr auch, nach seinem Vorsatz, in Sünde zu fallen, eifrig Bescheid, und sie dachte nichts Böses, als er sich endlich neben sie auf die Laubstreu setzte und sie unter Küssen, die sie für brüderlich nahm, zärtlich umschlang.
Allein, plötzlich wurde, den er nicht gewohnt war, der Wein seiner völlig Herr, er warf sie nieder, tat ihr Gewalt an, und würgte sie danach, damit sie nicht zur Verräterin an ihm werden sollte, mit den Händen zu Tode.
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Ende gut - Alles gut !