Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Der größere Narr
Ein Ritter hatte einen Narren, den er von Herzen liebte. Eines Tages machte er ihm einen hübschen Kolben von Leder und sagte zu ihm : "Hier, mein Junge, hast du ein Zepter, das behalte und gib es niemandem, er sei denn wirklich närrischer als du !" Der Narr versprach ihm das.
Über nicht langer Zeit wurde der Edelmann krank und der Arzt kam, nach ihm zu sehen; als er wieder fort ging, fragte ihn die Frau, wie ihm der Junker gefiele. "Er wird fahren", antwortete er mit bedenklicher Miene, "er wird fahren, er bleibt nicht hier."
Als der Narr, der unter dem Gesinde dabeistand, dies hörte lief er hinunter in den Stall zu den Pferden und sah zu, ob man sie schon sattelte und zu den Reisewagen, ob man sie schon zurechtmachte und putze; aber, es geschah nichts. So ging es einige Zeit fort, daß die Frau und die Bedienten den Arzt jedesmal, wenn er aus der Krankenstube kam, umringten und wissen wollten, wie der Herr ihm gefalle und wie es um ihn bestellt sei; und daß der Arzt jedesmal antwortete, man solle acht auf ihn geben, denn er werde nicht bleiben, sondern fahren.
Wie aber der Narr wieder und wieder keine Pferde satteln und keinen Wagen schmieren sah, so oft er auch in die Ställe und Zeughäuser lief, ging er endlich zu seinem Herrn hinein.
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"Sie sprechen", sagte er, an sein Bett tretend, "du wollest fahren, Herr, und nicht bleiben. Wie lange willst du ausbleiben ? Ein Jahr ?" "O, länger", seufzte der Junker mit trüben Augen, "sehr viel länger, mein Junge, zehn Jahre und noch viel mehr, ich weiß es selber nicht."
"Nun", sagte der Narr und reichte ihm sein Zepter, "ich sehe keine Reiterausrüstung auf dem Hof, darum will ich dir meinen Kolben geben, denn du bist bedeutend närrischer als ich. Wenn ich solange ausbleiben sollte, so wollte ich etwas voraus schicken, damit ich zu leben hätte und keinen Mangel müsste leiden; darum, so habe du nun den Kolben, er gehört dir von Rechts wegen zu."
Der Edelmann nahm sich diese Worte zu Herzen, bestellte sein Haus, machte sein Testament und rüstete sich zur Fahrt in die Ewigkeit, denn er begriff, wer hier durch Narrenmund zu ihm geredet hatte.
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Ende gut - Alles gut !