Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Die Pestleiche
Im Jahre 15 hundert 49 kam ein junger Edelmann, der zu Pferde allein unterwegs war, des Abends spät noch nach Eisleben, wo er, da er auch die Straßen nicht kannte, wohl oder übel die Nacht verbringen musste.
Damals herrschte die Pest in jener Gegend, und so wollte er vor allen Dingen wissen, ob in dem Wirtshause, in welchem er um Herberge vorsprach, kürzlich jemand gestorben sei, oder noch krank läge. Nein, war die Antwort, es liege niemand hier an der Seuche krank, und so wagte es der junge Mensch in Gottes Namen, ritt in den Hof, versorgte seinen müden Gaul und aß zu Nacht.
Nach dem Essen, da er sich legen wollte, fragte der Wirt, ob er ihm sein Zimmer zeigen solle. Der junge Mann lehnte das ab, da ihn, zumal die Seuche herrschte, vor den unreinen Betten schauderte, und erklärte, er möchte sich mit Stiefeln und Sporen auf die Bank am Ofen legen, denn er gedenke morgen in aller Frühe weiter zu reiten.
Der Wirt entgegnete, es müsse ihn vor den Betten nicht grausen, sie seien sauber und frisch bezogen, und wenn er sie in der Frühe sähe, so würde ihn sein Vorsatz gewiss reuen. Der junge Mensch wollte aber durchaus nicht hören, legte sich in der Gaststube auf eine Bank mit einer Lehne, die unter dem Sitz einen Kasten hatte, und der Wirt, der ihn gewähren lassen musste, ging hinaus und sperrte die Türe ab.
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Eine Stunde aber vor Morgengrauen kommt jemand mit einem Karren vor das Wirtshaus gefahren, klopft an und ruft, er sei da und wolle die Leiche holen. Der Fremde fährt von der Bank hoch, tappt zum Fenster, sieht hinaus und sagt, hier im Hause sei niemand weder krank noch gestorben.
Der Totengräber indessen ließ nicht ab und versicherte, er irre sich auf keinen Fall, denn der Wirt habe ihn ja am Abend selber bestellt und die Leiche abholen heißen.
Nun ging, ehe der Wirt noch aufgestanden war, sein Gast hin, öffnete dem Totengräber die Tür, stieg mit ihm hinauf und suchte mit ihm in allen Winkeln. Sie fanden aber nichts, und der Totengräber wollte fluchend wieder davon gehen, der Meinung, der Wirt habe ihn getäuscht, als er sich, schon auf der Stiege, wieder umdrehte und mit der Faust auf die flache Hand schlagend beteuerte, es müsse doch etwas daran sein, der Wirt ist ein ehrlicher Kerl und niemand mache Späße mit solchen Sachen; ging also hin und klappte den Kasten auf, der dem Junker für diese Nacht zur Liegestatt gedient hatte.
Da lag die Pestleiche drinnen, denn der Wirt hatte sie, damit ihm der Gast nicht erschrecken sollte, in aller Eile in die Lade verstaut und übrigens mit seiner Behauptung, hier liege niemand krank im Hause und den jungen Mann werde es noch reuen, das Bett in der Kammer ausgeschlagen zu haben, die Wahrheit gesprochen.
Dieser aber wusste vor Entsetzen nicht mehr, wo er war, fand mit schlotternden Gliedern nach langem herum suchen sein Pferd, Sattel, Zaum und Felleisen, warf auf den Tisch, was ihm an Geld gerade in die Hand geriet, saß auf, riss dem Gaul die Sporen in die Weichen und sprengte zum Hofe und zum Stadttor hinaus, das mittlerweile aufgesperrt worden war.
Wendunmuth
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Ende gut - Alles gut !