Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Das sprechende Buch
Unterhaltung mit 8GeBeN.DE
Die Kurzsichtige
Ein reicher Bauer hatte eine einzige Tochter. Das Mädchen war sonst nicht übel, nur war sie ein wenig blödsichtig. Das heißt, bei hellem Sonnenschein, in den Mittagsstunden konnte sie es allerdings wohl auf drei Schritt weit unterscheiden, ob ein Gegenstand, der auf sie zu kam, ein Mensch oder ein anderes Säugetier war, weiter aber, und bei trübem Wetter gar nicht. Wenn man deshalb halbwegs ein wenig aufmerksam war, konnte man es wohl merken, daß das Mädchen kein sonderlich scharfes Gesicht hatte.
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Nun war auch in der Nähe ein reicher Pächterssohn, der hatte Lust, das Mädchen zu heiraten. Weil ihm aber die Leute sagten, das Mädchen sei gar kurzsichtig, er werde sie kaum in der Wirtschaft brauchen können, nahm er sich vor, das nächste Mal recht aufzumerken, ob das wahr sei. Dieser Vorsatz ihres Bräutigams wurde aber dem Bauernmädchen verraten, das sich´s nun vornahm seinem Schatz auf eine recht auffallende Art zu beweisen, daß sie gar nicht so kurzsichtig sei, wie die Leute sagen. Sie ließ deshalb eine Nähnadel ins Scheunentor hinein stecken. Da sie nun ihren Geliebten beim Abschied hinaus vor die Tür begleitete, sagte sie auf einmal ganz wirtschaftlich: "Ei, wer hat denn die schöne Nähnadel da drüben am Scheunentor stecken gelassen?" Über die große Scharfsichtigkeit wunderte und freute sich der Bräutigam im ersten Augenblick recht sehr. Im zweiten freilich nicht mehr. Denn da das wirtschaftliche Mädchen hinüberlaufen wollte nach dem Scheunentor, um die schöne Nähnadel zu holen, fiel sie über ihres Vaters großen Zugochsen, den sie weder gesehen noch bemerkt hatte, weil er ganz ruhig vor dem Heuwagen eingespannt stand.
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Ende gut - Alles gut !